Tanzen ist Bewegung nach Musik oder das Umsetzen der Musik in Bewegung. Von diesem Leitsatz ausgehend unterliegt die Tanzmusik für den Tanzsport besonderen Regeln. Jeder Tanz hat seinen Charakter, den das Paar in seiner Bewegung darstellen muß. Dieser Charakter sollte von der Musik vorgegeben werden. Dies ist um so wichtiger, weil nur einer unserer zehn Turniertänze – der Weiner Walzer – aus unserem Lebensraum stammt. Alle anderen sind nicht aus unserer Mentalität heraus entstanden. Erst die Musik kann die ursprünglichen Empfindungen der Menschen bei einem Tanz für uns verdeutlichen und uns ermöglichen, ähnliches zu fühlen. Deswegen ist die Musik für unseren Sport ein wichtiger Faktor. Rhythmus, Takt und Melodie müssen ein charakteristisches Klangbild ergeben. Welcher tänzerische Charakter nun sein muß, läßt sich nur schwer mit Worten beschreiben.
Die Turniertänze stellen sich deswegen auf den nächsten Seiten selbst vor.
Man nennt mich Waltz oder auch Langsamer Walzer, was meine Verwandtschaft mit dem schnellen oder Wiener Walzer zeigt. Wenn unser Takt auch gleich ist, so unterscheiden wir uns deutlich im Tempo und anderen Eigenschaften. Die schwingende Pendelbewegung ist mir eigen und soll nach den Bewertungsrichtlinien erkennbar sein. Wie sagt doch immer der große “Tanzmeister” Bill Irvine: “Von einem Höhepunkt zum anderen tanzen“, also schwingend wie ein Pendel. Das Schwingen ermöglicht mit raumgewinnender Bewegungstechnik und Drehungen die Ausführung meiner typischen Bewegung und verleiht mir meinen weichen und runden Charakter. Die weiche, teilweise schmelzende (nicht schmalzig) und manchmal weibliche Waltz-Musik, die man extra für mich komponiert hat und spielt, sollte eigentlich den Menschen das selige Langsame-Walzer-Gefühl (Waltz-Feeling) empfinden lassen. Wenn ich ein Mensch wäre, würde mein Herz und meine Seele in dieser Musik im Raum der Unendlichkeit versinkend tanzen. Sentimental?
Nun ja, sicher ist die Sentimentalität ein Teil meines Charakters, und vielleicht brauchten viele Paare sie neben dem harten Sport zum besseren Waltz-Tanzen.
Mein ehemaliger Beiname “argentino” deutet auf meine Herkunft hin. Wenn ich seitdem auch entscheidende Wandlungen durchgemacht habe, so ist die Zwiespältigkeit zwischen harten und weichen Bewegungen in meinem Wesen geblieben. Meine Bewegungen sind einmal hart, ruckartig und männlich, andererseits aber weich, fast schleichend und weiblich. In mir steckt Dynamik und Sanftmut zugleich, was auch die Tango-Musik zum Ausdruck bringt. Trotz heftiger Bewegungen und plötzlicher, zögernder Pausen sollen die Beine immer gleich schnell bewegt werden. Nicht harte Beinbewegungen, sondern schnelle Körperbewegungen sind für mich charakteristisch.
Der ewige Wechsel zwischen Härte und Angriff einerseits und Weichheit und Verhaltenheit andererseits verlangt von den Menschen, die mich zu interpretieren versuchen, angestrengte Kontrolle, was nicht zur Verkrampfung führen darf.
Von den Turniertänzen bin ich nachweislich der älteste, was meinen Schwung aber noch nicht gebremst hat. Mein fließender Walzerschwung besteht aus nach vorn drängenden Drehungen. Von dem schwingenden Waltz unterscheide ich mich durch rotierende Bewegungen. Bei der hohen Geschwindigkeit (60 Takte in der Minute) brauchen die Menschen entsprechende Körperneigungen, weil sie sonst die Balance, die so notwendige, verlieren. Auch eine gute Kondition ist erforderlich, wenn man ohne äußere Schwächeanzeichen meinem Tempo folgen will. Nur wenige verschiedene Schritte nenne ich mein eigen, trotzdem sind sie nicht leicht auszuführen. So einfach, daß die Mensch mich ohne Übung so mal eben tanzen könne, bin ich nicht. Dabei ist bei richtiger Schrittführung die notwendige Schnelligkeit ohne harte Arbeit leicht zu erreichen.
Kenner sprechen mir wegen meiner Jugendzeit in England königliche Eleganz zu. Fast zu viel, würde ich meinen. Ich sehe mich nur vornehm und lässig. Mein Wesen besteht im Nicht-Auffallen. Fliegende, weiträumige Gehbewegungen in künstlerische Form gebracht, getragen von der herrlichen Slow-Musik, die ein Mensch namens Hugo mit seiner Klarinette so vortrefflich in den Raum schickt. Im Tempo habe ich gewisse Ähnlichkeit mit dem Waltz, nur vergrößert sich meine typische Pendelbewegung bei mir zu einer langgestreckten Wellenbewegung, die wiederum für mich typisch ist. Meine Wellenbewegung weist nur geringe Höhenunterschiede auf, was in der gelaufenen Bewegung ohnehin nicht anders möglich ist. Das Pendeln ist mir zwar auch nicht ganz fremd, aber bei mir sind nur die Beine schwingende Pendel, kleiner Unterschied zum Walt, nicht wahr? Sie sehen aus allem: Zurückhaltende Eleganz ohne deutliche Akzente.
Hoppla, jetzt komm’ ich! Mein Name zeigt schon meine Spritzigkeit voller Übermut und prächtiger Laune, immer heiter und lustig. Bei 52 Takten in der Minute müssen sich die Menschen schon ganz flott bewegen. Für Pausen ist da keine Zeit, nur durch flüssiges Tanze mit lustigen, perlenden und hüpfenden Schritten kann man meinem Takt folgen. Apropos hüpfen, dafür sind die menschen nun einmal nicht gebaut und deswegen fällt vielen das auch sehr schwer. Das richtige Maß zu finden, scheint mir wichtig. Gut getanzt, aber meine kecke, sprühende Lebendigkeit nicht verlorengehen. Abgehackt und ruckartig sind nicht meine Eigenschaften, bei mir ist immer alles im Fluß, wie auch die Musik, die man extra für mich komponiert, arrangiert und spielt. Viele Mensch sagen, ich sei beschwingt und berauschend und wegen des ewigen Wechsels von slow und quick ausgesprochen lustig. Nun ja, über sich selbst zu urteilen, ist immer gefährlich.
Meine Heimat läßt sich nur schwer verleugnen, aber warum auch. Ich komme aus Brasilien und bin dort aus den alten Kreistänzen der leichtsinnigen, festfrohen Bantu-Neger entstanden. Schon im 17. und 18. Jahrhundert lösten sich die Reigen zu Paaren auf. 1924 kam ich unter meinem heutigen Namen über den Ozean. In dieser Zeit tauche ich schon vereinzelt in den Turnierprogrammen auf. Aber bald war ich wieder verschwunden. Warum, das mag der Teufel wissen. Vielleicht waren meine Bewegungen für Europäer zu fremdländisch. Erst 1948/49 begann meine große Zeit. Ich bin zwar auch fröhlich und heiter, doch nicht so kokett wie der ChaChaCha. Dabei soll ich mit meinen lebhaften Schritten, dem Rollen, Tänzeln und Wiegen sogar echte Leiderschaft in mir haben. Meinem Übermut ist aber auch etwas Melacholie beigemischt.
Meine Lebhaftigkeit zeigt sich in der reichhaltigen rhythmischen Gestaltung meines 2/4-Taktes. Zu meiner eigenwilligen Bewegung gehört die Vor- und Rückwärts-bewegung des Beckens.
Meine unbekümmerte Jugend gibt mir Heiterkeit, und der eindeitige Rhythmus macht mich lustig, frühlich, ja sogar ein wenig leichtsinnig und frech, was die vielen amüsanten Figuren beweisen. Entstanden bi ich aus dem Mambo. Als Erfinder gilt Enrique Jorrin. Na, kein so schönes Gefühl, nur so erfunden zu sein wie eine künstliche Schöpfung. Aber mein Erfolg läßt mich das vergessen. Im Gegensatz zur feurigen Rumba bin cih ein amüsanter, koketter Flirt, alles ohne Ernst, ohne Passion, dafür keck, fröhlich, perlende wie Sekt. Diese übermütige Natur ist schon in der Musik zu hören. So müssen auch die brillanten Figuren getanzt werden. Bein, Arme, Hände und Finger, der ganze Körper und sogar die Augen sind in ständiger Bewegung.
Die Hüftbewegungen unterstreichen meinen lateinamerkianischen Charakter. Meinem Wesen entsprechend gestatten die Musik und auch die Sportregeln über den Grundrhythmus 4 und 1,2,3 hinaus eine abwechslungsreicche rhythmische Gestaltung.
Meine Herkunft ist etwas dunkel, was nicht heißen soll, daß ich zweifelhafter Herkunft bin. Auch ist nicht bekannt, seit wann das Wort Rumba gebraucht wird. Verwandt soll ich -musikalisch- mit der Habanera sein. Also meine Wiege stand in Lateinamerika. Genaueres ist nicht bekannt. Dem dortigen Wesen entsprechend sollen meine Bewegungen werbend, erotisch, erobernd sein. Die Hüftbewegung spielt dabei eine entscheidende Rolle. Doch Vorsicht vor Übertreibung, man wird eine goldene Mitte finden müssen, denn ganz darauf verzichten darf man nicht.
Meine Choreographie hat mir das Leben schwer gemacht. Man tanzt mich im Cuban Style oder Square Style. 1930 kam ich nach NewYork und von dort nach Europa. Doch trotz der ersten Begeisterung und der exakten Choreographien machte ich keine richtigen Fortschritte. In Deutschland war ich nach 1933 nicht gern gesehen. Erst nach 1945 wurde ich wieder entdeckt und von den Franzosen entwickelt. Die Fachleute haben sich lange über meinen Stil gestritten, bis sich im Tanzsport der Cuban-Style durchsetzte, der nun schon seit vielen Jahren getanzt wird. Dabei verzichtet man weitgehend auf rhythmische Gestaltungsmöglichkeiten, um durch den Grundrhythmus Slow (4-1) -Quick (2) -Quick(3) meinen Charakter zu erhalten. Die dazugehörigen Hüftbewegungen müssen bei jedem Schritt von beiden Partnern synchron ausgeführt werden.
Wenn mich die Tanzsportler auch zu den lateinamerikanischen Tänzen rechnen, so stamme ich doch aus Spanien, was an meinen Figuren unschwer zu erkennen ist. Meine Bewegungen entstammen denen des Toreros und seiner Capa beim Stierkampf. Heißblütig, also scharf beobachtend und genaue Bewegungen, dem Torero nachempfunden. Wie ich in die europäische und internationale Turnierszene gekommen bin, ist mir immer noch unverständlich. Es fällt den Menschen mit kälterem Blut als den Spaniern doch sehr schwer, diese Stimmung und Bewegung zu interpretieren. Deswegen kann ich mir oft ein leises Schmunzeln nicht verkneifen. Wie war einmal irgendwo zu lesen: Bei vielen Paaaren stünde der Stier mit verständislosem Kopfschütteln an der Bande.
Um Verwechselungen und Irrtümer zu vermeiden, soll noch einmal festgestellt werden, daß nicht die Partnerin der Stier ist, sondern sie ist die Capa (das rote Tuch), die den Stier reizen soll.
Die Tanzsportler tanzen mich am liebsten nach ein und demselben Musiktitel, er heißt wohl “Espana Cani”. Man sagt, dann klappt es besser mit dem Programm. Auch Tanzorchester entfalten musikalisch keine große Phantasie.
Im Negerviertel NewYorks, in Harlem, stand meine Wiege. Nach der alten Boogie-Musik bin ich neu entstanden. 1940 sprach man von mir als Jitterbug, die Engländer machten daraus Jive. Auch Rock’n’Roll wurde ich genannt. Meine Wesensart wird durch die Boogie-Musik bestimmt. Ich bin der Tanz der totalen Mechanisierung, hart, aber manchmal auch weich und katzenhaft, ein Rausch an Bewegung aus dem Spiel der Glieder und des Körpers. Meine Bewegung folgt den monotonen Schlägen des Rhythmusses und gibt den Tänzern befeuernde und betäubende Kraft. In meinen jungen Jahren hat man mir nicht viel Gutes nachgesagt. Der Tanzpapst aus England, Alex Moore, hatte 1940 im Ballsaal bis dahin nichts Abscheulicheres gesehen, Sprünge und Kicks wechselten sich mit Purzelbäumen, Heben der Partnerin u.a. ab. Dagen bin ich heute zahm und milde geworden, wie das Alter es so mit sich bringt. Ich freue mich immer sehr, wenn Könner meiner Bewegung die Zuschauer zu Beifallsstürmen hinreißen. Denn wenn es gut aussehen soll, bin ich nicht einfach zu tanzen.
